Biohybride Medizinprodukte

Medizintechnische Produkte bestanden in der Vergangenheit meist aus klassischen Materialien wie Metallen und Kunststoffen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Verarbeitung von Werkstoffen mit besonders hoher Biokompatibilität, die im menschlichen Körper möglichst geringe Abstoßreaktionen hervorrufen. Die Fähigkeit nichtbiologischer Materialien, sich zum Beispiel als Implantat in menschliche Gewebe einzufügen und dort wie körpereigene Strukturen Aufgaben zu übernehmen, ist jedoch beschränkt.

Biohybride Medizinprodukte vereinen herkömmliche nichtbiologische Materialien und lebende Zellen zu Hochleistungserzeugnissen mit völlig neuem Funktionsspektrum. Wir forschen an der Kombination verschiedener Fertigungsverfahren zur Herstellung biohybrider Implantate.

EVPRO – intelligente, bioaktive Beschichtung für Endoprothesen

Der Einsatz von Gelenkendoprothesen gewinnt als Therapieform zunehmend an Bedeutung. Prognosen gehen davon aus, dass der Anteil der europäischen Bevölkerung mit Hüft- und Knieprothesen in den kommenden Jahrzehnten deutlich ansteigen wird. Das Gebiet der Endoprothetik besitzt damit erhebliche Relevanz für die Gesundheitsversorgung der Zukunft – besonders im Hinblick auf Aktivität und Selbstständigkeit im Alter. Die aseptische Lockerung gilt als eine der häufigsten Komplikationen von Hüftprothesen und hat in der Regel aufwendige Folgebehandlungen wie den Austausch des Implantats zur Konsequenz.

Im Projekt »EVPRO« widmet sich ein Konsortium unter der Leitung des Fraunhofer IPT nun der Erschaffung einer Revisionsendoprothese für das Hüftgelenk, die aseptischen Lockerungs­erscheinungen entgegenwirken soll. In Zusammenarbeit mit zehn Projektpartnern aus Industrie und Forschung wird untersucht, wie Prothesen mit einer intelligenten Beschichtung versehen werden können. In der Beschichtung enthaltene extrazelluläre Vesikel können aseptische Entzündungsreaktionen wahrnehmen und gezielt modulieren. Zusätzlich fördert die Beschichtung im Zusammenspiel mit einer Strukturierung der Implantatoberfläche optimales Einwachsen der Prothese in den Knochen. Auf diese Weise soll die Implantatlebensdauer verlängert und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten verbessert werden.

Theranostische Implantate – interdisziplinäre Kompetenz für innovative Produkte

Im Rahmen des Projektes »Theranostische Implantate« wurden in Kooperation mit dem Fraunhofer CMI Titanimplantate mit bioaktiven Gelen beschichtet. Dazu wurde ein Bioprinter entwickelt, der biomimetische Hydrogele präzise in 3D-Architekturen abbilden kann. Mit dieser Verfahrensweise lassen sich lebende Zellen in Trägermaterialien zu künstlichen Geweben drucken, die biologisch voll funktionsfähig sind. So können 3D-Gerüste erzeugt werden, die menschliche Osteoblasten zur Mineralabscheidung stimulieren und damit die Knochenbildung anregen können. Werden solche 3D-Gerüste auf Titanarchitekturen aufgebracht, die wir am Fraunhofer IPT herstellen können, entstehen biohybride Endoprothesen. Diese besitzen das Potential dazu, sich besser als bisherige Prothesen mit Knochen zu verbinden.

Insgesamt zwölf Fraunhofer-Institute forschten im Rahmen des Projektes »Theranostische Implantate« an innovativen Lösungen zur Erhöhung der Lebensqualität von Patientinnen und Patienten. Anhand von insgesamt drei Demonstratoren konnten durch synergetische Verknüpfung von Expertisen richtungsweisende Technologien für eine neue Generation von Implantaten entwickelt werden.