Nachhaltigkeit

Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und Regularienkonformität

Nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart zu decken, ohne die Chancen zukünftiger Generationen zu gefährden. Drei Strategien stehen im Mittelpunkt: Suffizienz, also weniger Produktion und Konsum, Effizienz in Form besserer Ressourcennutzung und Konsistenz durch umweltfreundliche Kreisläufe. Nachhaltiges Wirtschaften zielt darauf ab, ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches System für kommende Generationen zu sichern. Die EU-Taxonomie stuft wirtschaftliche Aktivitäten als nachhaltig ein, wenn sie bestimmte Umweltziele erfüllen und soziale Standards einhalten. Gesetzliche Initiativen wie der European Green Deal und die Verordnung (EU) 2020/852 fördern diese Transformation.

Die Biopharmaindustrie steht in Bezug auf nachhaltige Produktion vor Herausforderungen, da ihre energieintensiven Herstellungsprozesse und der hohe Ressourcenverbrauch oft wenig umweltfreundlich sind. Allerdings gibt es Bemühungen, durch technologische Innovationen und nachhaltigere Lieferketten Fortschritte zu erzielen.

Verschiedene Ansätze für nachhaltige biotechnologische Produktionsverfahren und Medizintechnik

  1. Verwendung umweltfreundlicher Materialien: Ein Ansatz besteht darin, nachhaltige Materialien bei der Herstellung biotechnologischer Produkte und medizintechnischer Geräte zu verwenden. Dies kann die Verwendung recycelbarer oder biologisch abbaubarer Materialien umfassen, um den Abfall zu reduzieren und die Umweltauswirkungen zu verringern. 
  2. Energieeffizienz: Durch Optimierung von Produktionsprozessen und Einsatz energieeffizienter Technologien kann der Energieverbrauch in biotechnologischen Produktionsverfahren und bei medizintechnischen Geräten reduziert werden. Dies kann den Einsatz erneuerbarer Energien umfassen und zu einer Verringerung der CO2-Emissionen führen. 
  3. Abfallminimierung und Recycling: Die Implementierung von Strategien zur Abfallminimierung und Recycling ist ein wichtiger Ansatz für eine nachhaltige Produktion. Dies kann die Wiederverwendung von Materialien, die Reduktion von Verpackungsmaterialien und die Einführung von Rücknahmeprogrammen für gebrauchte Geräte umfassen.
  4. Lebenszyklusanalyse: Die Lebenszyklusanalyse ist ein Ansatz, bei dem die Umweltauswirkungen eines Produkts über den gesamten Lebenszyklus hinweg bewertet werden. Dies umfasst alle Phasen von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zur Entsorgung. Durch die Identifizierung und Optimierung umweltbelastender Aspekte kann die Nachhaltigkeit verbessert werden.
  5. Zusammenarbeit und Wissenstransfer: Eine nachhaltige Entwicklung erfordert oft die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren wie Unternehmen, Regierungen, Forschungsinstitutionen und NGOs. Der Austausch von Wissen, Erfahrungen und Best Practices kann dazu beitragen, nachhaltige Ansätze in der biotechnologischen Produktion und in der Medizintechnik zu fördern. 
  6. Förderung von Kreislaufwirtschaft: Die Förderung einer Kreislaufwirtschaft, bei der Produkte und Materialien am Ende ihrer Lebensdauer wiederverwendet, repariert oder recycelt werden, ist ein weiterer wichtiger Ansatz für mehr Nachhaltigkeit. Es ist wichtig zu beachten, dass nachhaltige Ansätze immer kontextabhängig sind und von den jeweiligen Anforderungen und Gegebenheiten eines Produkts oder einer Technologie abhängen. Unternehmen und Organisationen sollten eine ganzheitliche Betrachtung der Nachhaltigkeit in Betracht ziehen und verschiedene Ansätze kombinieren, um eine optimale Lösung zu finden.

Harmonisierung von Compliance und Nachhaltigkeit

Ungeachtet regulatorischer Anforderungen drückt Compliance die Regelkonformität aus, sowohl in Bezug auf Gesetze, Verordnungen und behördliche Auflagen als auch auf freiwillig festgelegte interne Strategien und Rahmenbedingungen. Corporate Governance definiert sich als die organisatorische und inhaltliche Gesamtheit der strategischen Ausrichtung einer verantwortungsvollen Unternehmensführung. In diesem Kontext sind sowohl Compliance als auch der gesamte Bereich der Nachhaltigkeit als Referenzsysteme unter dem Dach einer effektiven Corporate Governance zu betrachten. 

Die neue Disziplin der Nachhaltigkeit stellt auch die Compliance-Funktion vor Herausforderungen. Es gibt neue Kriterien für eineachhaltigkeitsberichterstattung, bei der eine Tätigkeit dann als nachhaltig betrachtet wird, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer der folgenden sechs Umweltziele leistet oder diese Ziele nicht gefährdet oder negativ beeinflusst: Diese Umweltziele umfassen Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Nachhaltigkeit und Compliance sind auch in der Biomedizin eng miteinander verbunden.  Der Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und Regularienkonformität im Bereich biotechnologischer Verfahren und Medizintechnik ist komplex. Nachhaltigkeit bezieht sich darauf, natürliche Ressourcen zu erhalten und umweltfreundliche Technologien zu entwickeln. Regularienkonformität betrifft die Einhaltung von Gesetzen und Standards, die für die Entwicklung und den Einsatz biotechnologischer Verfahren und medizintechnischer Geräte gelten. Diese Regularien dienen dazu, die Sicherheit und Wirksamkeit der eingesetzten Technologien zu gewährleisten und die Gesundheit der Patienten zu schützen. Der Konflikt entsteht, wenn nachhaltige Ansätze nicht mit den bestehenden Vorschriften übereinstimmen. Kosten und Sicherheitsaspekte spielen ebenfalls eine Rolle. Nachhaltige Technologien können höhere Anfangsinvestitionen erfordern oder teurer in der Anwendung sein. Dennoch gibt es Möglichkeiten, Nachhaltigkeit und Regularienkonformität zu vereinen, beispielsweise durch die Entwicklung nachhaltiger Materialien und Prozesse, die den Vorschriften entsprechen, oder durch Zusammenarbeit und Entwicklung brancheneigener Nachhaltigkeitsstandards. Insgesamt ist der Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und Regularienkonformität im Bereich biotechnologischer Verfahren und Medizintechnik eine komplexe Herausforderung. Es ist wichtig, eine die unterschiedlichen Interessen sorgfältig abzuwägen und neue Lösungen in ganzheitlichen Ansätzen zu finden.

Im Bereich biotechnologischer Verfahren und Medizintechnik spielen mehrere regulatorische Vorgaben eine wichtige Rolle. Die genauen Vorgaben können je nach Land und Region unterschiedlich sein, aber einige Schlüsselvorschriften sind international anerkannt. 

Die wichtigsten regulatorischen Vorgaben:

  1. Medizinprodukteverordnung (MDR): Die MDR regelt die Anforderungen an Sicherheit, Leistung und Qualität von Medizinprodukten in der EU sowie deren Zulassung und Überwachung.
  2. In-vitro-Diagnostikverordnung (IVDR): Ähnlich der MDR legt die IVDR die Anforderungen für in-vitro-diagnostische Produkte in der EU fest, einschließlich Zulassung und Überwachung.
  3. Good Manufacturing Practice (GMP): GMP sind internationale Standards, die die Herstellung, Lagerung, Verpackung und Verteilung von Arzneimitteln und Medizinprodukten regeln.
  4. ISO 13485: Dieser Standard definiert Qualitätsmanagementsysteme für die Medizintechnik und dient dem Nachweis der Konformität mit regulatorischen Vorgaben.
  5. Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards: Viele Unternehmen implementieren freiwillig Standards wie ISO 14001 für umweltfreundliche Praktiken.

Regulatorische Anforderungen variieren je nach Produkttyp, Einsatzgebiet und Region, sodass Unternehmen ihre Produkte den geltenden Vorgaben anpassen müssen.

Compliance hingegen bezieht sich auf die Einhaltung rechtlicher und ethischer Standards in der Biomedizin, einschließlich Gesetzen, Vorschriften und Richtlinien. Dies schließt den Schutz der Privatsphäre und der Daten von Patienten, die Einhaltung von GCP (Gute klinische Praxis) bei klinischen Studien sowie die Erfüllung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards ein. Die Einbindung von Nachhaltigkeit in die Compliance in der Biomedizin bedeutet, dass neben der Einhaltung rechtlicher und ethischer Standards auch ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Dies kann beispielsweise die Verwendung umweltfreundlicher Materialien und Verfahren, das Verringern von Abfall und Emissionen sowie die Förderung sozialer Gerechtigkeit und Zugang zu medizinischer Versorgung umfassen.

Abbildung 19: Nachhaltiges Produktionsverfahren zur Förderung einer Kreislaufwirtschaft, durch die Entkoppelung des Prozesses von Primärrohstoffen.

Herausforderungen

Die große Herausforderung dürfte in der Festlegung möglichst einheitlicher Kriterien zur Regelkonformität in Bezug auf Nachhaltigkeit liegen. Bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit im biomedizinischen Labor gibt es verschiedene Herausforderungen. Einige davon sind:

  1. Kosten: Die Implementierung nachhaltiger Praktiken im Labor kann zunächst mit zusätzlichen Kosten verbunden sein. Dies kann den Einsatz umweltfreundlicherer Materialien oder die Installation energiesparender Geräte umfassen. Die Kosten müssen sorgfältig abgewogen und mögliche Einsparungen im Laufe der Zeit berücksichtigt werden.
  2. Infrastruktur: Die Umsetzung von Nachhaltigkeit erfordert möglicherweise Änderungen an der vorhandenen Infrastruktur des Labors. Dies kann den Einsatz von Recycling- oder Abfalltrennungssystemen, die Installation von Energiesparlampen oder die Anpassung von Geräten zur Minimierung des Energieverbrauchs umfassen. Die Infrastrukturänderungen können zusätzliche Investitionen und Anpassungen erfordern.
  3. Komplexität der Experimente: In einigen Fällen können nachhaltige Praktiken im Widerspruch zu den Anforderungen bestimmter Experimente stehen. Zum Beispiel kann die Verwendung von Einmalartikeln zur Vermeidung von Kontamination mit der Verwendung größerer Mengen an Lösungsmitteln oder Chemikalien zur Erreichung präziser Ergebnisse kollidieren. Hier ist es wichtig, nach alternativen Methoden oder Materialien zu suchen, um das Gleichgewicht zwischen Nachhaltigkeit und experimentellen Anforderungen zu finden.
  4. Schulung und Bewusstsein: Die Einführung nachhaltiger Praktiken erfordert eine umfassende Schulung des Laborteams. Die Mitarbeitenden müssen sich der Bedeutung von Nachhaltigkeit bewusst sein und die erforderlichen Fähigkeiten erwerben, um umweltbewusst zu handeln. Dies erfordert eine kontinuierliche Schulung und ein Bewusstsein für nachhaltige Praktiken im Labor.
  5. Verfügbarkeit nachhaltiger Materialien: Es kann eine Herausforderung sein, nachhaltige Materialien und Reagenzien für den Laborbetrieb zu finden. Es erfordert möglicherweise zusätzliche Recherche und Zusammenarbeit mit Lieferanten, um umweltfreundliche Alternativen zu herkömmlichen Produkten zu identifizieren und zu beschaffen.

Ungeachtet dieser Herausforderungen gibt es jedoch viele Möglichkeiten, Nachhaltigkeit im biomedizinischen Labor umzusetzen. Durch eine bewusste Planung, Zusammenarbeit und kontinuierliche Verbesserung können Labore dazu beitragen, ihre Umweltauswirkungen zu minimieren und zu einer nachhaltigeren biomedizinischen Forschung beizutragen.

Mehrwert für die Forschung und die Produktion

Nachhaltigkeit im biomedizinischen Labor erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der über die bloße Einhaltung von Vorschriften hinausgeht, langfristige Vorteile für Labore und die Gesellschaft bietet und nur gemeinschaftlich erreicht werden kann. So sind Nachhaltigkeit und Compliance in der Biomedizin dafür gedacht, einen verantwortungsvollen und ethischen Umgang mit Ressourcen, Patienten und der Umwelt sicherzustellen, um dadurch eine nachhaltige und langfristige positive Wirkung auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen zu erzielen.