Intelligente und integrierte Analytik

Inline-Messtechnik

Hochgeschwindigkeits-Mikroskopie

Bei der Kultivierung von Zellpopulationen spielen die Qualitätskontrolle und Analyse eine wichtige Rolle. Vor allem die Untersuchung großflächigerer Proben bei einer hohen Vergrößerung nimmt viel Zeit in Anspruch. Da Zellkulturplatten häufig von geschultem Fachpersonal untersucht werden, gestaltet dies den Prozess personal- und kostenintensiv und ist anfällig für subjektive Fehler in der Endkontrolle. Durch den Einsatz eines kontinuierlichen Scan-Verfahrens können große Proben schnell und einfach mittels High-Speed-Mikroskopie digitalisiert werden. Anhand nachgelagerter Bildverarbeitungsprozesse lässt sich auch die Analyse der Bilddaten vollständig automatisieren. Dadurch ergeben sich personal- und zeitsparende Prozesse, mit denen sich der Durchsatz größerer Produktionsanlagen steigern und eine reproduzierbare Qualitätskontrolle der Zellen sicherstellen lässt.

Die Technologie der High-Speed-Mikroskopie

Aufgrund des geringen Sichtfeldes des Mikroskops müssen große Proben stückweise untersucht werden. Herkömmliche Mikroskope verwenden hierbei ein Stop-and-Go-Verfahren, bei dem die einzelnen Bildausschnitte nacheinander angefahren werden, der Fokus justiert wird und anschließend die Bildaufnahme erfolgt. Durch das wiederholte Beschleunigen und Abbremsen ist dieses Verfahren sehr zeitaufwändig und für Proben, die mit Flüssigkeit gefüllt sind, ungeeignet. 

Das Fraunhofer IPT hat deshalb ein High-Speed-Mikroskop entwickelt, bei dem die Probe kontinuierlich unter dem Objektiv verfahren wird und Bilder unter Bewegung aufgezeichnet werden. Um Bewegungsunschärfe bei der Bildaufnahme zu vermeiden, kommt eine Blitzlichtquelle mit externer Triggerung und hoher Beleuchtungsstärke zum Einsatz. Die kurze Beleuchtungszeit sorgt dafür, dass die Relativbewegung zwischen Objektiv und Probe die Auflösungsgrenze der Kamera nicht überschreitet und scharfe Bilder entstehen. Zusätzlich wird die Fokuslage für jeden Bildabschnitt dynamisch durch einen z-Piezo-Aktor nachgeführt, um Unebenheiten zu kompensieren und der geringen Tiefenschärfe Rechnung zu tragen. Die Daten für die Fokusnachführung stammen aus einem vorgelagerten Fokusscan, bei dem die Probe durch einen konfokalchromatischen Sensor abgetastet wird, sodass aus den Daten ein Höhenprofil erstellt werden kann [28].

Der Aufbau der Mikroskope

Die Basis bildet der Mikroskop-Körper, der um einen verfahrbaren Probentisch, eine Blitzlichtquelle und eine High-Speed-Kamera erweitert wurde. Mit einem angeschlossenen Computer werden die Messvorgänge gesteuert und die Bilddaten ausgewertet. Ein Controller synchronisiert die Bildaufnahme mit der Beleuchtung und der Fokuskorrektur. Durch den einfachen und vergleichsweise kostengünstigen Aufbau lässt sich eine Vielzahl kommerziell erhältlicher Mikroskope für die High-Speed-Bildaufnahme erweitern und es können verschiedene Aufbauten mit Auflicht-, Durchlicht-, Phasenkontrast- und Polarisationsmikroskopie umgesetzt werden.

Bildverarbeitung

An den Bildaufnahmeprozess schließen sich mehre Post-Processing-Schritte an. Zu diesen zählt die Korrektur von Schattierungen und die Erhöhung des Kontrasts sowie das Stitching, bei dem die Einzelaufnahmen zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Auch eine integrierte Bildauswertung mit Musterkennung oder KI Algorithmen für individuelle Aufgaben wie die Zellsegmentierung und die Konfluenz-Berechnung ist möglich. Durch die GPU-Unterstützung laufen selbst rechenintensive Prozesse parallel zum Scanvorgang ab und erlauben ein echtzeitfähiges Datenhandling. Die Ergebnisse der Bildverarbeitung liegen dem Benutzer dadurch schon unmittelbar nach dem Scan vor.

Für eine weiterreichende Analyse werden immer häufiger Methoden des Deep Learning eingesetzt. In der Regel müssen solche neuronalen Netze auf den gegebenen Datensatz abgestimmt werden, um eine optimale Performance zu erzielen. Für die erfolgreiche Entwicklung von Deep-Learning-Ansätzen werden Expertinnen und Experten mit ausgeprägtem Domänenwissen benötigt. Das Fraunhofer IPT war an der Entwicklung einer Software beteiligt, die für neue Datensätze eine geeignete Auswahl an Algorithmen vorschlägt und auf den Datensatz anwendet. Zu diesem Zweck wurde eine Entscheidungslogik anhand einer Vielzahl von Deep-Learning-Pipelines zusammen mit domänenspezifischen Anwendungsfällen trainiert. Anwendern ist es dadurch möglich, ohne Spezialkenntnisse im Bereich Künstlicher Intelligenz leistungsfähige Algorithmen für individuelle Anwendungsfälle zu erstellen [29]. 

Integration in automatisierte Prozesse

Das Mikroskop kann in vollautomatisierten Anlagen zur Analyse der kultivierten Zellen eingesetzt werden. Dies ermöglicht hochdurchsatzfähige Prozesse bei gleichbleibend guter Qualitätskontrolle und dokumentierbaren Qualitätsparametern. 

Damit auch die Separation und Entnahme einzelner Zellen auf einer Kulturplatte vollständig automatisiert werden kann, wurde die Integration des laserinduzierten Vorwärtstransfers (LIFT, engl. Laser-induced forward transfer) in das bestehende High-Speed-Mikroskopiesystem erfolgreich getestet. Durch die Integration eines Lasers in den Strahlengang des High-Speed-Mikroskops lassen sich die Analyse und Zellisolation in nur einem Gerät vereinen, ohne dass eine zusätzliche Probenpräparation erforderlich ist. Bei diesem Verfahren wird gepulste Laserstrahlung verwendet, die auf die Grenzfläche zwischen der Mikrotiterplatte und dem Zellmedium gerichtet wird, um Zellen über einen Luftspalt zwischen zwei Oberflächen zu transportieren [30].

Adaptive Phasenkontrastmikroskopie

Die Phasenkontrast- und die Fluoreszenzmikroskopie zählen zu den wichtigsten Verfahren für die Analyse biologischer Proben und zur Beobachtung lebender Zellen. Im Gegensatz zur Fluoreszenzmikroskopie erfordert die Phasenkontrastmikroskopie jedoch keine Fluoreszenzmarkierungen und ist daher schonender für die automatisierte Kultivierung hochwertiger Zellen. Allerdings wird die Beobachtungsfläche durch den sogenannten »Meniskuseffekt« auf die Mitte der Zellgefäße beschränkt. Die Bestimmung der Qualitätsparameter außerhalb dieses Bereichs ist dadurch erschwert. 

Das Fraunhofer IPT forscht an Verfahren in der adaptiven Phasenkontrastmikroskopie, um die mikroskopisch sichtbare Fläche erheblich zu vergrößern. Damit die Methode auch in automatisierten Anlagen angewandt werden kann, ist es Ziel in einem laufenden Forschungsprojekt, das Verfahren hochdurchsatzfähig zu gestalten [31].

Ausblick auf weitere Entwicklungen

Obwohl das Verfahren bereits heute schneller ist, als vergleichbare Stop-and-Go-Verfahren arbeitet das Fraunhofer IPT immer weiter daran, die Aufnahmeprozesse zu verbessern. Durch die einfache Erweiterungsfähigkeit von Mikroskopiesystemen können in Projekten individuelle Lösungen für verschiedene Branchen entwickelt werden. Dabei kann auf eine Vielzahl kundenbezogener Anforderungen eingegangen und die High-Speed-Mikroskopie in bestehende, automatisierte Anlagen integriert werden.

Abbildung 14: Das High-Speed-Mikroskop in einer automatisierten Anlage mit Roboterarm (A) und einer Auswahl an Bildverarbeitungsschritten. B1: Image-Stitching, B2: Shading-Correction, B3: Histogramm-Normalisierung und B4: Zellsegmentierung.

Abbildung 15 – A: Scankopf eines OCT-Systems. Das Objektiv fokussiert auf die Probe, von der das rückgestreute Licht am Detektor gemessen wird. B: OCT-Querschnitt eines In-vitro-Gewebes. Sowohl die Dicke des Gewebes als auch innere Strukturen und Grenzflächen können durch die OCT detektiert werden.

Optische Kohärenztomograpie

Die Optische Kohärenztomographie (OCT) ist ein bildgebendes Verfahren, das auf der kurzkohärenten Interferometrie basiert und hochauflösende Querschnittsbilder (semi-)transparenter Materialien erstellt. 

Die Ursprünge des Verfahrens liegen in der Augenheilkunde und dort vor allem in der nicht-invasiven Inspektion des Augenhintergrunds. Darüber hinaus hat sich die Bildgebung mit einer Vielzahl neuer Funktionen und Modalitäten rasch weiterentwickelt. Die biomedizinische Forschung und Diagnostik bilden nach wie vor die Hauptanwendungsgebiete. Neben der Ophthalmologie spielen heute aber auch Anwendungen der Dermatologie und der Kardiologie eine immer größere Rolle.

Die Eigenschaften der OCT und besonders ihre Fähigkeit, hochauflösende Querschnittsbilder berührungslos zu generieren, machen die Technik für ein breites Spektrum an Forschungsthemen und Anwendungen außerhalb des biomedizinischen Bereichs attraktiv. Dazu zählen die Oberflächen- und Materialprüfung sowie die Defekterkennung in Polymeren oder anderen streuenden Proben. 

Die Arbeitsweise der OCT gleicht der Ultraschallbildgebung. Detektiert werden hier jedoch keine Schallwellen, sondern die Änderung der Weglänge der verwendeten kurzkohärenten Lichtquellen, beziehungsweise die Größe des zurückgestreuten Lichts. Der grundlegende Aufbau eines OCT-Systems besteht aus einem Michelson-Interferometer mit einer kurzkohärenten Lichtquelle, einem Detektor sowie einem Proben- und Referenzpfad. Das Licht wird durch einen Strahlteiler in die beiden Pfade aufgeteilt und jeweils reflektiert. Im Probenpfad befindet sich neben der Fokusoptik ein scannendes Spiegelpaar, das ein Abtasten des Lichtpunktes in transversaler Richtung senkrecht zur Probe erlaubt. So können neben Punktmessungen für ein Tiefenprofil der Probe auch Querschnittbilder oder Volumen-Scans aufgenommen werden. Die Detektion des überlagerten Lichts aus Proben- und Referenzpfad erfolgt meist in einem Spektrometer. Ein axiales Abscannen der Probe ist nicht notwendig, da die Tiefeninformation der Frequenzmodulation aus dem Interferenzspektrum im Detektor zu entnehmen ist.  

Abhängig von der verwendeten Lichtquelle und der Fokus-Optik können Auflösungen von circa 3 bis 10 µm erreicht werden. Die Abbildungstiefe ist durch die optische Dämpfung aufgrund von Gewebestreuung und -absorption begrenzt. In den meisten Geweben kann eine Bildgebung bis zu einer Tiefe von 2 bis 3 mm erreicht werden. Die OCT schließt somit die Lücke zwischen der Mikroskopie, die zwar hochauflösend arbeitet, jedoch keinen Zugang zu inneren Strukturen erlaubt, und der Ultraschallbildgebung, die tief in (menschliches) Gewebe blicken kann, deren Auflösung jedoch deutlich schlechter ist als bei der OCT.

Verwendung der OCT in der Laborumgebung

Für die Anwendung der OCT in biologischen, chemischen oder medizinischen Laboren spricht vor allem die hohe Auflösung sowie die im Vergleich zur Mikroskopie größere Messtiefe. Ein weiterer wichtiger Vorteil der OCT ist die Nicht-Invasivität, die unter anderem eine Analyse dynamischer Vorgänge in Proben ermöglicht. Aufgrund der Auflösung im Mikrometerbereich bei zerstörungsfreier Arbeitsweise kann die OCT als »optische Biopsie« verwendet werden, um Gewebe sowohl qualitativ als auch quantitativ zu untersuchen [32]. Hochauflösende OCT-Systeme mit einer räumlichen Auflösung von rund 1 µm kommen der pathologischen Histologie nahe. Beispiele für die OCT-Nutzung sind In-vivo-Untersuchungen zur Unterscheidung zwischen gutartigem und bösartigem Epithelgewebe zur Diagnose verschiedener Krebsarten [33] sowie In-vitro-Studien zur Analyse künstlicher Gewebe oder zur Überwachung von Wundheilungsprozessen.

OCT ist für Anwendungen in der Entwicklungsbiologie von Interesse, denn sie erlaubt eine wiederholte Bildgebung der sich entwickelnden Morphologie einer Probe, ohne dass diese geopfert oder verändert werden muss [32]. So lässt sich beispielweise die Entwicklung von Gewebe über längere Zeiträume von mehreren Tagen oder Wochen beobachten. Es lassen sich aber ebenso Veränderungen des Gewebes in kurzen Zeiträumen von Millisekunden bis zu mehreren Sekunden innerhalb eines OCT-Datensatzes aufdecken. Im Labor können auf diese Weise Veränderungen in Zellkulturen zeitlich verfolgt werden, ohne dass eine Färbung oder Fixierung erforderlich ist. Mithilfe der Analyse solcher OCT-Bilderstapel innerhalb der »dynamischen OCT« (engl. Dynamic OCT) gelingt es beispielsweise die Viabilität von Zellen in Geweben zu analysieren und deren intrazelluläre Aktivitäten zu beobachten. Zu den Funktionserweiterungen zählen auch die Darstellung von (internen) Spannungen sowie die Messung von Blutflüssen.

Neben diesen funktionellen Erweiterungen für die Qualitätsüberwachung von In-vitro-Gewebe oder von Zellkulturproben ermöglicht die berührungslose, optische Messweise zudem eine direkte, kontaminationsfreie Integration in die Laborumgebung, beispielsweise in Bioreaktoren [34]. Auch in verschlossenen transparenten Gefäßen kann bei hohem Kontrast Bildgebung stattfinden. Das vereinfacht die Handhabung im Labor deutlich.

Trends und Potenziale der OCT im Labor 

In den vergangenen Jahren wurde die OCT stetig weiterentwickelt und die Bildgebung mit zusätzlichen Kontrasten erweitert. Zusätzlich zu Verbesserungen der Hardware mit dem Ziel einer schnelleren Bildgenerierung entwickelt sich auch die »funktionelle OCT« weiter und hält verstärkt Einzug in biologische und biochemische Labore. Hierunter zählen z.B. die Deutung morphologischer Merkmale und die Dynamic-OCT zur Überwachung der Gewebe- bzw. Zelldynamik. Dies ist besonders wertvoll für die Untersuchung der Zellmorphologie, der Gewebeentwicklung und der Auswirkungen verschiedener Behandlungen auf biologische Proben.