At-Line-Unterstützungssysteme

Mikrolabore auf Chip und Disk

© Fraunhofer IPT
Abbildung 16: Herstellung mikrofluidisch strukturierter Folien in einem Rolle-zu-Rolle-Verfahren.

Innerhalb mikrofluidischer Systeme können Flüssigkeiten und Gase durch mikroskopische Kanäle und Membranen zielgerichtet gelenkt und bewegt werden. In den Life Sciences geht es hier um die Miniaturisierung von Analyseverfahren für Laboranalysen, Qualitätskontrolle in Produktionsanlagen und Laboren, um medizinische Diagnostik inklusive Point-of-Care-Testung (POCT) und um die Umweltanalytik. Miniaturisierung ermöglicht geringere Probenvolumina, niedrigeren Materialaufwand, eine schnellere Analyse, eine einfachere, robustere und dezentrale Durchführung und in vielen Fällen geringere Kosten pro Test. Mikrofluidische Systeme können für ausgewählte Methoden individuell angepasst werden und bieten eine hohe Flexibilität für eine Vielzahl von Anwendungen.

Herstellung mikrofluidischer Systeme

Die Herstellung mikrofluidischer Systeme erfolgt durch chipbasierte Systeme mit Flüssigkeitstransport, der durch Kapillarkräfte innerhalb poröser Membranen oder Mikrokanäle passiv angetrieben wird. Für den aktiven Flüssigkeitstransport eignen sich Systeme mit steuerbaren Pumpsystemen oder zentrifugalkraftgetriebene Disk-Plattformen. Eine Möglichkeit zur Herstellung mikrofluidischer Systeme im industriellen Maßstab ist die sogenannte Nano-Imprint-Lithographie auf kontinuierlichen Rolle-zu-Rolle-Maschinen, die eine kostengünstige Produktion ermöglicht. Zentrifugale Lab-on-a-Disc-Systeme können mit optischen Polymeren auch durch Spritzgießverfahren abgeformt werden. Automatische Pick-and- Place-Systeme eignen sich nach der Polymerabformung für die Bestückung mit funktionellen Einheiten unter aseptischen Bedingungen und abschließende Laminierungen zur Versiegelung der Produkte.

Je nachdem, welches Probenmaterial analysiert werden soll, können funktionelle Einheiten wie Filtersysteme, biologische oder optische Markierungen oder Techniken zur Stoffseparation integriert werden. Zur quantitativen oder qualitativen Analyse können optische oder elektrochemische Methoden angewendet werden. Die Messsensorik kann sich direkt auf dem mikrofluidischen Testchip befinden, beispielsweise in Form elektrisch und mit geringem instrumentellen Aufwand auslesbarer Mikroelektrodenarrays. Durch die Kopplung an fluoreszente oder kolorimetrisch messbare Farbstoffe ist es möglich, optische Analysen mit externen optischen Analysesystemen vorzunehmen.

Ein weiteres Untersuchungsverfahren ist die Raman-Spektroskopie. Dabei wird mit Hilfe von Lasern ein Raman-Spektrum aufgenommen. Anhand der charakteristischen Peaks im Spektrum können Rückschlüsse auf die enthaltenen Moleküle gezogen werden. Für die Raman-Spektroskopie eignen sich die sogenannten SERS-Substrate (Surface-enhanced Raman scattering), die eine Verstärkung des Raman-Signals um den Faktor 10^6 bis 10^8 ermöglichen. SERS-Substrate bestehen aus einem Metall-Nanopartikel-Array, das durch Nanoimprint-Lithographie hergestellt wird. Die Probenmoleküle binden sich an die metallischen Nanopartikel und werden dadurch verstärkt detektiert.

Anwendungsgebiete mikrofluidischer Syteme

Mikrofluidische Systeme bieten zahlreiche Vorteile in der Diagnostik. Das Fraunhofer IPT erforscht und entwickelt mikrofluidische Systeme für zahlreiche Anwendungsfelder, beispielsweise zur schnellen Diagnose von Infektionskrankheiten, zur Bestimmung von Spurenelementen in Trinkwasser oder zur Analyse von Lebensmitteln. Ein weiterer wichtiger Anwendungsbereich sind Qualitätskontrollen in Produktionsanlagen, bei der mikrofluidische Systeme zur schnellen und präzisen Bestimmung von Produktionsfehlern eingesetzt werden. Darüber hinaus werden am Fraunhofer IPT mikrofluidische Systeme auch für die Entwicklung von Point-of-Care-Tests (POCT) und für die Umweltanalytik eingesetzt.

Abbildung 17: Lab-on-Disc Rohlinge für die In-vitro-Diagnostik.

Lab-on-a-Chip als Beispiel für ein mikrofluidisches System

Bei einem Lab-on-a-Chip handelt es sich um ein vollständig miniaturisiertes Analysegerät, das auf einem Chip integriert ist. Es erlaubt eine schnelle Analyse von Proben und ist daher ideal geeignet für den Einsatz in der medizinischen Diagnostik. Ein weiteres Beispiel ist das Lab-on-a-Disc-System, bei dem die Analyse auf einer rotierenden Scheibe durchgeführt wird. Auch hier handelt es sich um eine vollständig miniaturisierte Analyseplattform, die eine schnelle und präzise Analyse von Proben ermöglicht.

Im Hinblick auf nachhaltige und kreislaufbasierte Wertschöpfungsketten bestehen mikrofluidische oder mikromechanische Systeme nicht mehr aus den labor- und industrieüblichen Kunststoffen, sondern immer öfter aus biologischen und/oder biologisch abbaubaren Materialien. Vielseitige Anwendungsbereiche bieten auch papierbasierte Mikrofluidiksysteme.
Insgesamt bieten mikrofluidische Systeme zahlreiche Vorteile für die Diagnostik und Analyse wie eine hohe Flexibilität und die Möglichkeit zur schnellen und präzisen Analyse von Proben.

Anwendungsbeispiel: SecuriGel Pathogen Analyzer

Die molekulare Diagnostik hat in den vergangenen Jahren eine revolutionäre Entwicklung erfahren und ist mittlerweile in einer Vielzahl von medizinisch-gesundheitlichen Bereichen unverzichtbar geworden. Von Kliniken und Betreuungsstätten bis hin zu öffentlichen Einrichtungen und sogar für den individuellen Heimgebrauch hat sich die Anwendung von Nukleinsäure-Amplifikationssystemen zur modernen Diagnostik etabliert. Doch nicht nur im Gesundheitswesen spielt diese Technologie eine zentrale Rolle; auch in der Umweltanalytik zur Detektion von Viren und Organismen oder als Qualitätskontrolle in der Industrie, beispielsweise in der Lebensmittelverarbeitung, eröffnen sich beeindruckende Anwendungsfelder. In den vergangenen Jahren wurde während der Coronapandemie deutlich, wie wichtig verlässliche und schnelle Diagnosen von Infektionskrankheiten für Gesellschaften sein können.

Die unterschiedlichen marktüblichen Lösungen werden jeweils durch technische Grenzen limitiert: So können die molekularen Reaktionen empfindlich auf Verunreinigungen reagieren, zeitintensiv durch die Notwendigkeit der zyklischen Vervielfältigung sein oder eine teure Instrumentierung erfordern und nicht zuletzt durch höherwertige Rohstoffe oder besondere Lagerbedingungen die Anwendung erschweren. Als Antwort wurde mit dem interdisziplinären Fachwissen aus Molekularbiologie, Materialwissenschaft, Biodruck, Herstellung und Optik haben Fraunhofer CMI, IGB und IPT einen neuen Schnelltest entwickelt.

Im Forschungsprojekt »Pathogen Sensors« optimiert das Fraunhofer CMI in Boston (USA) die Auslegung hinsichtlich Sensitivität und Selektivität des Bioassays für stark verbreiteten Atemwegsviren wie SARS CoV2, Influenza A, Influenza B und Rhinovirus. Neben dem Biodruckverfahren wird am Fraunhofer IGB die chemische Komposition des Hydrogels für die Anforderungen des Bioassays und Bedingungen eines Selbsttests ausgelegt. Das Fraunhofer IPT entwickelt dafür ein per Smartphone bedienbares Analyseinstrument und den mikrofluidischen Testchip.

Mit Spezialwissen in der Ultrapräzisionstechnik und Kunststoffreplikation erforscht das Fraunhofer IPT seit vielen Jahren kontinuierliche Abformverfahren und Druckprozesse für die Kunststoffprägungen und setzt diese für verschiedene Anwendungsbereiche technisch um. Im Projekt wurde der diagnostische Testchip von Beginn an mit Blick auf eine kontinuierliche und skalierbare Produktion im Rolle-zu-Rolle-Verfahren ausgelegt und ist damit kostengünstig herstellbar. Darüber hinaus entstand ein portables und dezentrales Analyseinstrument, das den Schnelltest patientenindividuell durchführt und das per Smartphone bedient werden kann.

Abbildung 18: Die Zusammensetzung des mikrofluidischen Testchips des SecuriGel Pathogen Analyzers (links). Der SecuriGel Pathogen Analyzer vom Fraunhofer IPT (rechts).