»Die additive Fertigung ist ein wichtiger Baustein für die Nachhaltigkeit der Luft- und Raumfahrtindustrie.«

Lasermaterialbearbeitung ist seit den 1990er Jahren eines der Schwerpunktthemen des Fraunhofer IPT. 2020 wurde die Abteilung Additive Fertigung und Laserstrukturieren aus der Abteilung Unkonventionelle Fertigung heraus gegründet. Ihr Leiter, Robin Day, baut seither zielstrebig die Themen Laserstrahlstrukturierung und draht- sowie pulverbasierte additive Fertigung aus. Sein Ziel ist es, gemeinsam mit seinem Team vollständige und durchgängige additive Prozessketten aus einer Hand zu etablieren.
Bereits während seines Luft- und Raumfahrtechnikstudiums an der Universität in Stuttgart befasste sich Robin Day mit dem Laser Powder Bed Fusion (LPBF)-Verfahren. Begonnen hat er vor zehn Jahren mit der Erforschung des Leichtbaupotenzials bei Kabinenbauteilen. Während seiner Studienzeit arbeitete er bei Lufthansa Technik und N3EOS. Bei Airbus konstruierte er die A350 Latch Shaft. 2017 zog er nach Aachen und wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Digital Additive Production (DAP) der RWTH Aachen. Dort erforschte er unter anderem gemeinsam mit MTU AeroEngines und Siemens Energy die Möglichkeiten des Einsatzes von LPBF bei der Fertigung von Turbomaschinen.
Welchen Unterschied macht die additive Fertigung für die Luft- und Raumfahrtindustrie?
Die additive Fertigung ist ein wichtiger Baustein für die Nachhaltigkeit der Luft- und Raumfahrtindustrie. Die größte Stärke der additiven Fertigungsverfahren ist zweifellos die Individualisierung bei geringem Materialverbrauch. Zwar wird nie ein Flugzeug aus dem Drucker kommen, aber es gibt sehr interessante Anwendungen. Beispiele hierfür sind der Leichtbau von Metall-Komposit-Schnittstellen, die Funktionsintegration bei integralen Bauweisen, die Reparatur sowie die direkte Fertigung von Bauteilen vor Ort.
Einer unserer Schwerpunkte ist derzeit die Weiterentwicklung der »grünen« Fertigung und Oberflächenbearbeitung mithilfe hybrider Prozesse. Dabei verbinden wir die Vorteile subtraktiver und additiver Fertigungstechnologien so, dass ökologisch und ökonomisch eine maximal effiziente Produktion entsteht. Die dafür benötigten neuen Technologie- und Schnittstellenkonzepte sind Teil unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeit.
Was können Sie der Industrie anbieten?
Wir bieten industrielle Laserstrukturier- und additive Fertigungsverfahren an. Mithilfe unserer Laserstrukturierprozesse lassen sich verschiedene Oberflächeneigenschaften, beispielsweise hydrophile oder bio-aktive Strukturen, mit Strukturgrößen bis zu 200 Nanometer einstellen.
Unsere additiven Fertigungsprozesse umfassen den hochpräzisen Laser Powder Bed Fusion-Prozess, den schnelleren Laser Metal Deposition-Prozess und das Wire Arc Additive Manufacturing zur schnellen Halbzeug-Herstellung. Immer im Fokus haben wir die komplette Prozesskette vom Material bis zum fertigen Bauteil. Die Realisierung ist möglich durch die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Kompetenzen von Fraunhofer IPT und unseren Partnern vom WZL der RWTH Aachen sowie die exzellente technische Infrastruktur. Das macht uns zur zentralen Anlaufstelle für additive Komplettlösungen und zur wirtschaftlichen Integration von additiven Fertigungsprozessen in bestehende Produktionslinien.
Wo sehen Sie uns in fünf Jahren?
In fünf Jahren wird das Fliegen nach wie vor ein wichtiges Transportmittel sein und viele hochtechnologische Herausforderungen bereithalten – auch und gerade in der Produktion. Unabhängig von den zukünftigen Energie- und Vortriebsystemen werden einige Bauteile die additive Fertigung zur Realisierung benötigen, etwa bei der Herstellung von Wasserstoff-Brennkammern und Brennstoffzellen. Dank einiger Hersteller werden wir uns mehr an additiv gefertigte Komponenten in der Luft- und Raumfahrt gewöhnt haben, und wir werden damit beginnen, die additive Fertigung gewinnbringend einzusetzen. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die heute erforschten digitalen Methoden und Künstliche Intelligenz, die künftig durchgängig in Konstruktion, Fertigung und Qualitätssicherung Anwendung finden.
Was war das prägendste Erlebnis in Ihrer bisherigen Laufbahn?
Ich arbeite derzeit an meiner Dissertation. Immer wieder gab und gibt es Momente, in denen Wissenschaft wirklich hart sein kann. Ergebnisse, die man erwartet, treten nicht ein, eine gut durchdachte Theorie erweist sich als falsch. Hier habe ich einen großen Teil von »never give up« gelernt. Statt frustriert zu sein, diskutiert man mit einer Kollegin oder einem Kollegen, spricht mit anderen Experten. Das hilft, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, wo nicht selten die Lösung liegt.
Was ist wichtig für eine erfolgreiche Forschung?
Viele Wege führen nach Rom. Meist gibt es mehr als eine Lösung. Ich bin davon überzeugt, dass wir Kooperation statt Isolation brauchen. Deshalb ist ein guter Teamgeist meine Philosophie als Abteilungsleiter. Nur gemeinsam können wir eine Arbeitsgemeinschaft bilden, die nie ihre Leidenschaft verliert, Neues zu erforschen und sich weiterzuentwickeln. In heterogenen Teams aus jungen Studierenden und erfahrenen Forscherinnen und Forschern erreichen wir zusammen dieses Ziel.