Mit KI personalisierte Arzneimittel herstellen: Automatisierte Produktion von Immunzellen für den Kampf gegen Blutkrebs

Pressemitteilung /

Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT aus Aachen und das Universitätsklinikum Würzburg haben gemeinsam mit elf weiteren internationalen Partnern ein automatisiertes System zur Herstellung genetisch veränderter Immunzellen entwickelt. Die neue Laborplattform soll zukünftig sogenannte CAR-T-Zellen am Ort der Behandlung individuell für Leukämie- und Lymphompatienten in einem automatisierten Prozess herstellen – schneller und kostengünstiger als in manuellen Laborumgebungen. Das erste Produktionssystem geht in nun die nächste Phase der Wirkstoffentwicklung bis zur Zulassung der neuen Therapie.

© Würzburg University Hospital
Produktionsstart direkt am Ort der Behandlung: Prof. Dr. Michael Hudecek, Inhaber des Lehrstuhls für Zelluläre Immuntherapie am Universitätsklinikum Würzburg sowie Leiter der Abteilung für Zelluläre Immuntherapie am Fraunhofer IZI, begrüßte Dr. Bastian Nießing, Abteilungsleiter Bioadaptive Produktion am Fraunhofer IPT, der die AIDPATH-Plattform an ihren finalen Einsatzort überführte.

Im EU-geförderten Forschungsprojekt AIDPATH (AI-powered, Decentralized Production for Advanced Therapies in the Hospital) arbeiten 13 Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus sieben Ländern daran, den Zugang zur CAR-T-Zelltherapie, einer vielversprechenden Behandlung von Blutkrebserkrankungen wie Leukämie und Lymphom, für Patientinnen und Patienten deutlich zu verbessern: Dafür entwickelten die Partner in den vergangenen vier Jahren eine modulare, automatisierte Laborumgebung, deren erstes Produktionsmodul nun seinen endgültigen Standort am Universitätsklinikum Würzburg gefunden hat. Erste Tests vor Ort in Würzburg hat die neue Laborplattform bereits erfolgreich durchlaufen.

Die neue Produktionsplattform durchläuft nun weitere umfassende Prüfungen, um die Einhaltung der erforderlichen hohen medizinischen Standards hinsichtlich Präzision, Sicherheit und Effizienz zu belegen. Die Produktionsplanung der genetisch modifizierten Zelltherapeutika wird zusätzlich unterstützt durch speziell entwickelte KI-Algorithmen.

Kosten senken durch dezentrale Herstellung der gefragten Therapeutika

Für die CAR-T-Zelltherapie werden T-Zellen des Patienten oder der Patientin gentechnisch so verändert, dass sie einen sogenannten synthetischen chimären Antigenrezeptor, kurz: CAR, aufweisen und gezielt Krebszellen erkennen und zerstören können. Die erfolgversprechende Therapiemöglichkeit kann jedoch bis heute aufgrund der hohen Herstellungskosten der Zellen durch aufwendige Prozesse und komplexe Logistik noch nicht in der Breite für alle Erkrankten bereitgestellt werden.

»Die automatisierte Plattform ermöglicht uns, eine adaptive - das heißt eine passgenaue auf die Patientinnen und Patienten zugeschnittene - Herstellung der CAR-T-Zellen, sodass sie eine optimale Wirkung entfalten können«, erklärt Professor Michael Hudecek, Lehrstuhlinhaber für Zelluläre Immuntherapie am Universitätsklinikum Würzburg. »Das erlaubt einen dezentralen und damit effizienteren Ansatz zur Herstellung und Anwendung dieser personalisierten Therapien.«

Effizientere Produktionsprozesse durch Künstliche Intelligenz

Die Laborplattform, die jetzt in Würzburg aufgebaut wurde, basiert auf einem durchgängig automatisierten Produktionssystem. Durch den Einsatz Digitaler Zwillinge erlaubt es eine KI-gestützte Produktionsplanung und eine Echtzeit-Überwachung der Prozessparameter.

Mithilfe der Künstlicher Intelligenz können sowohl klinische als auch physiologische Patientendaten in den Herstellungsprozess einfließen, um so individuelle CAR-T-Zellprodukte von höchster Qualität bereitzustellen. Zudem unterstützt die KI eine vorausschauende Planung der Produktionskapazitäten und sicher eine optimale Nutzung der Ressourcen im Krankenhaus. Das schafft die Grundlage dafür, diese neue Therapieform für eine größere Anzahl an Patienten verfügbar zu machen – unter Einhaltung höchster Qualitätsstandards.

Kontinuierliche Verbesserung auf Basis realer Daten

Die Plattform sammelt und verarbeitet Patientendaten über die cloudbasierte Dateninfrastruktur »LogiqSuite« von Ortec Logiqcare B.V., die speziell an die Anforderungen des AIDPATH-Projekts angepasst wurde. Durch die Integration von medizinischen Patientendaten, Produktionsparametern und Therapie-Monitoring entsteht ein kontinuierlicher Lern- und Verbesserungszyklus. Die eingesetzten Algorithmen werden innerhalb eines qualitätsgesicherten Prozesses fortlaufend optimiert – auf Basis der stetig wachsenden Datenmengen aus den vernetzten dezentralen Produktionsstandorten.

Partnerschaft mit Mehrwert für Patienten, Kliniken und Industrie

Die AIDPATH-Plattform vereint die neuesten Erkenntnisse zu Künstlicher Intelligenz, der umfassenden Analytik von Stoffwechselmolekülen (Metabolomik) und automatisierter Produktion im Laborkontext. Die Projektpartner sehen deshalb in den Forschungsergebnissen ein hohes Potenzial, nicht nur die CAR-T-Therapie grundlegend zu verändern. Indem die Klinikprozesse effizienter gestaltet werden, soll sich mittelfristig auch der Zugang zu neuen personalisierten Behandlungsformen in Europa entscheidend verbessern.

»Die Inbetriebnahme der AIDPATH-Plattform am Universitätsklinikum Würzburg markiert einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur personalisierten Medizin«, sagt Dr. Bastian Nießing, Projektkoordinator von AIDPATH am Fraunhofer IPT. »Durch die Verlagerung der CAR-T-Produktion näher zum Patienten können Komplexität und Kosten reduziert und die Behandlungsergebnisse deutlich verbessert werden.«

Die Produktionsplattform wird durch die Software »COPE« gesteuert, die die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT entwickelt haben. Sie ermöglicht es, die gesamte Produktionsanlage über eine bedienerfreundliche Benutzeroberfläche auch ohne vertiefte Programmierkenntnisse automatisiert zu steuern. Integriert ist zudem der Facer-Bioreaktor des spanischen Unternehmens AglarisCell, der in zehnsekündigem Intervall Glukose- und Laktatwerte misst – ein zentraler Baustein der optimale Herstellungsbedingungen sicherstellt.

Höchste ethische und datenschutzrechtliche Standards

Ein zentraler Anspruch der Partner im AIDPATH-Projekt ist die Einhaltung strengster ethischer Grundsätze. Dazu gehört ein verantwortungsvoller Umgang mit den eingesetzten Zellen für die CAR-T-Herstellung. Ebenso ist der der Schutz sensibler Patientendaten gemäß geltender Datenschutzvorgaben unverzichtbar. Damit Patientinnen und Patienten den KI-Anwendungen im Gesundheitswesen vertrauen können, hat sich das Projektteam zu größtmöglicher Transparenz, Sicherheit und ethischer Verantwortung verpflichtet.

Eine vielversprechende Zukunft für die personalisierte Medizin

Mit dem Beginn der Tests vor Ort am Universitätsklinikum Würzburg blickt das AIDPATH-Konsortium jetzt gespannt in die Zukunft: Der Einsatz von KI und in dieser Anwendung der Biotechnologie verspricht einen tiefgreifenden Wandel der Krebstherapie und Fortschritt für die personalisierte Medizin. Die Partner sehen sich in der europäischen Zusammenarbeit an vorderster Front eines neuen medizinischen Zeitalters, das eine sichere, wirksame und bezahlbare Behandlung für Patientinnen und Patienten weltweit ermöglichen kann.

Über AIDPATH

Das EU-Projekt AIDPATH wurde im Rahmen der Fördermaßnahme »Horizon 2020« der Europäischen Kommission unter dem Förderkennzeichen 101016909 gefördert.

Projektkonsortium

  • Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Aachen
  • Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg
  • AglarisCell SL, Tres Cantos
  • Ortec Logiqcare B.V. (Optimization Technology B.V. subsidiary), Zoetermeer
  • Fraunhofer-Institut für Zelltherapie and Immunologie IZI, Leipzig
  • Panaxea BV, Amsterdam
  • Foundation for Research and Technology - Hellas, (FORTH), Patras
  • IRIS Technology Solutions, Sociedad Limitada, Madrid
  • Red Alert Labs, Maisons-Alfort
  • Sartorius CellGenix GmbH, Freiburg
  • Fundacio Clinic per a la recerca Biomedica, Barcelona
  • SZTAKI Institute for Computer Science and Control, Budapest
  • University College London, London