Fraunhofer IPT automatisiert die Herstellung von Triebwerkteilen aus faserverstärktem Thermoplast

Pressemitteilung /

Werkstoffe für Flugzeuge müssen hochbelastbar und gleichzeitig so leicht wie möglich sein. Im Triebwerkbau, besonders bei der Fertigung sogenannter Fanblades, kommen deshalb seit einigen Jahren immer häufiger Faserverbundkunststoffe (FVK) mit harzbasierter Matrix zum Einsatz, die bei geringem Gewicht sehr stabil sind. Allerdings ist die Herstellung von Bauteilen aus diesen Werkstoffen sehr zeitaufwändig und teuer, da sie mehrere Stunden im Autoklav aushärten müssen. Ein Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT in Aachen möchte die Fertigung von FVK-Fanblades noch weiter automatisieren und damit schneller und kostengünstiger machen.

FVK-Fan-Schaufel
© Fraunhofer IPT
Am Fraunhofer IPT gefertigte FVK-Fan-Schaufel. Das Design ist angelehnt an eine GE90-Fan-Schaufel.
© Fraunhofer IPT

Die Herstellung vieler Bauteile aus FVK, bei denen der Werkstoff in dünnen Schichten aufeinandergelegt wird, geschieht teilweise automatisiert. In der Luftfahrtindustrie kommen als Werkstoffe meist vorimpregnierte Halbzeuge – sogenannte Prepregs – aus faserverstärktem Epoxidharz zum Einsatz. Diese müssen unter Druck und Wärme in einem energie-, kosten- und zeitintensiven Autoklav-Härteprozess aushärten. Das Fraunhofer IPT in Aachen erforscht seit einigen Monaten die Möglichkeiten, die Fertigung von Blades aus Faserverbundkunststoffen noch weiter zu automatisieren und damit noch kostengünstiger zu gestalten.

Die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IPT setzen in ihren aktuellen Forschungsarbeiten nicht auf Epoxidharz-basierte Werkstoffe, sondern auf kohlefaserverstärkte thermoplastische Kunststoffe. »Der faserverstärkte Thermoplast verfügt über gute Leichtbaueigenschaften bei gleichzeitig hervorragendem Impact-Verhalten, lässt sich aber gegenüber Epoxidharz-basierten Materialien schneller und flexibler automatisiert verarbeiten. Er ist bei Erwärmung formbar und lässt sich beim Umformen nachkonsolidieren. Nach der Abkühlung nimmt der Thermoplast wieder seine ursprünglichen Materialeigenschaften an. Harzbasierter Duroplast erhält hingegen erst unter Wärmeeinfluss in einem langwierigen chemischen Prozess die gewünschten Eigenschaften. Thermoplastische FVK eignen sich daher wesentlich besser für effiziente Verarbeitungsprozesse«, erklärt Dr.-Ing. Henning Janssen, Leiter der Abteilung Faserverbund- und Lasersystemtechnik am Fraunhofer IPT. In mehreren Versuchsreihen ist es seinem Team nun erstmals gelungen, zwei solcher Prozesse für die Fan-Blade Fertigung miteinander zu verknüpfen: das vollautomatisierte Tapelegen und das Umformen.

Flexible Prozesskette: automatisiertes Tapelegen und Thermoforming

Mit einer vollautomatisierten Tapelege-Anlage, einer in Lizenz kommerzialisierten Eigenentwicklung des Fraunhofer IPT, werden unidirektional verstärkte Thermoplast-Tapes abgelegt und entsprechend der später geforderten Belastungsrichtung übereinandergeschichtet. Auf diese Weise entsteht eine mehrschichtige, hochbelastbare und flexible Platte, ein sogenanntes Organoblech. Die Forscherinnen und Forscher überwachen und dokumentieren jeden Schritt des vollständig automatisierten Prozesses mithilfe verschiedener Sensoren. Auf diese Weise können sie während des Prozesses in die »Black Box« der Fertigung schauen und einen sogenannten »Digitalen Schatten« für jedes Organoblech erstellen. Dieses virtuelle Abbild des realen Organoblechs erlaubt es, Qualitätsabweichungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend gegenzusteuern.

Das fertige Organoblech wird im nächsten Fertigungschritt erwärmt und in einem Umformprozess endkonturnah geformt. Dieser Prozess wird als Thermoforming bezeichnet. Der Prozess wurde in den bisherigen Versuchsreihen zunächst an 16 Millimeter dicken, gewebeverstärkten Organoblechen aus PA12 und Kohlefasern getestet und soll bald auf Organobleche aus PEEK und Kohlefasertapes übertragen werden.

Versuchsreihen zum Fräsen von FVK-Bauteilen

Nach dem Thermoforming werden die Kanten des umgeformten Organoblechs getrimmt in die finale Form gefräst. Das Fräsen von FVK ist wegen der heterogenen Materialstruktur sehr herausfordernd: Besonders Kohlenstofffasern wirken auf die Schneidkante des Fräswerkzeuges stark abrasiv und führen daher zu starkem Werkzeugverschleiß und zu einer schwankenden Bearbeitungsqualität.

Eine Möglichkeit zur Verlängerung der Werkzeugstandzeit, so das Fazit des Forscherteams nach zahlreichen Versuchsreihen, ist der Einsatz von Fräswerkzeugen, die mit polykristallinem Diamant (PKD) beschichtet sind. Während ihrer Versuche zur Bearbeitung der FVK-Blades im verkleinerten Maßstab fanden die Forscher heraus, dass die Standzeit der PKD-beschichteten Fräswerkzeuge deutlich länger ist als die unbeschichteter Werkzeuge. Darüber hinaus hatte eine individuell abgestimmte Auslegung der Frässstrategie einen positiven Einfluss auf die Bearbeitungsqualität.

Umsetzung in verschiedenen industriellen Anwendungskontexten

Die ersten Ergebnisse mit dem Verbundmaterial sind vielversprechend: »Wir konnten zeigen, dass die verketteten Fertigungsprozesse – Herstellung und Endbearbeitung von FVK-Blades – funktionieren. Sowohl in radialer Schaufelrichtung als auch zwischen Vorder- und Hinterkante der Schaufeln konnten wir sehr gute Oberflächenqualitäten erzielen. Nun müssen wir die einzelnen Prozesse genauer untersuchen und optimieren«, sagt Daniel Heinen, Leiter des Geschäftsfelds »Turbomaschinen« am Fraunhofer IPT.

Geplant sind in den nächsten Monaten Forschungsprojekte, in denen das neue Verfahren weiter optimiert und in verschiedenen industriellen Anwendungskontexten untersucht werden soll. Besonders haben die Aachener Wissenschaftler die Verwendung des Hochleistungsthermoplasten PEEK und das Einlaminieren von Sensortechnik im Inneren des Organoblechs im Blick. Letzteres würde nicht nur die Überwachung der Herstellungsprozesse, sondern auch des Bauteilzustands während der späteren Verwendung im Triebwerk ermöglichen. Auch die Anwendung der Prozesskette auf weitere Komponenten wird angestrebt, beispielsweise auf Statoren und Gondelbauteile sowie Bauteile außerhalb der Luftfahrtindustrie. Das Fraunhofer IPT freut sich über interessierte Unternehmen, die an den Projekten teilnehmen möchten.