abschluss

Integrierte Betrachtung von Qualitäts- & Energiemanagement

Prof. Dr.-Ing. Robert Schmitt, Inhaber des Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und Mitglied im Direktorium am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Aachen

Dipl.-Ing. Sebastian Günther, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung für Produktionsqualität am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Aachen

Eine große Herausforderung für produzierende Unternehmen ist der Umgang mit der Ressource Energie, da sie nicht nur für energieintensive Betriebe einen relevanten Kostentreiber darstellt. Um die Energieeffizienz produzierender Unternehmen zu erhöhen, bietet sich die Systematisierung dieses Themas durch die Einführung eines Energiemanagementsystems an. Für eine erfolgreiche Implementierung eines Energiemanagementsystems ist es wichtig, bestehende Strukturen zu berücksichtigen, um Synergien zu nutzen und Parallel-Lösungen zu vermeiden. Vor allem bestehende Qualitätsmanagementsysteme bieten geeignete Ansatzpunkte für den Aufbau eines Integrierten Managementsystems. Die strukturelle Ähnlichkeit der Normen für Qualitäts- und Energiemanagement (DIN EN ISO 9001 bzw. DIN EN ISO 50001) spricht ebenfalls für eine integrierte Betrachtung dieser beiden Managementsysteme. Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie ein Energiemanagementsystem strukturell implementiert und bedarfsgerecht in bestehende Managementsysteme integriert werden kann. Insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlt hier häufig ein adäquates und unkompliziertes Vorgehen.

Das Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie IPT aus Aachen hat im Forschungsvorhaben »EMSI – Energie-Management-System zur bedarfsgerechten Integration in bestehende Qualitätsmanagement-Strukturen« ein solches Vorgehen entwickelt. Das Fraunhofer IPT arbeitete als ausführende Forschungsstelle in enger Kooperation mit einem projektbegleitenden Ausschuss aus neun produzierenden Unternehmen, darunter Großunternehmen sowie kleine und mittelständische Unternehmen. Im Verlauf des Forschungsprojekts boten regelmäßig stattfindende Ausschusstreffen eine Plattform für die beteiligten Unternehmen, ihre individuellen Erfahrungen bei der Einführung des Energiemanagementsystems mit den anderen Projektpartnern auszutauschen.

Zentrales Element des entwickelten prozessorientierten integrierten Managementsystems ist eine Prozesslandkarte, die den Ordnungsrahmen bildet. Sie gliedert die Prozesse des integrierten Managementsystems in drei Prozessarten - die Führungsprozesse, die Kernprozesse und die Unterstützungsprozesse.

Bevor die Prozesse des integrierten Managementsystems ausdetailliert wurden, stand die Entwicklung eines »Rollenmodells« im Vordergrund. Dabei wurden Rollen definiert, denen dann Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zugewiesen wurden. Eine solche Rolle ist bspw. die des Energiemanagementbeauftragten oder die des Messtechnikbeauftragten für das Thema Energie.

Die Führungsprozesse dienen als Lenkungsinstrument und werden inhaltlich und konzeptionell von der Unternehmensführung gestaltet und gelebt. Zu den Führungsprozessen gehören bspw. die »Unternehmenspolitik«, die »Unternehmensziele« oder das »Management-Review«. Die Führungsprozesse unterschiedlicher Managementsysteme lassen sich durch ihre inhaltliche Zielkongruenz sehr gut integriert beschreiben.

Die Kernprozesse lassen sich in solche unterteilen, die sehr gut integriert betrachtet werden können und solche, die einer parallelen Beschreibung bedürfen. Integrierbare Kernprozesse sind bspw. die »Interne Auditierung«, die »Überwachung, Messung und Analyse« sowie »Nichtkonformitäten, Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen«. Geringes Integrationspotential zeigen stark energiebezogene Prozesse wie die »Energetische Bewertung«, die »Energieverbrauchsmessung« oder die »Energetische Ausgangsbasis«.

Die Unterstützungsprozesse dienen unter anderem der Befähigung zur Umsetzung der Führungs- und Kernprozesse und lassen sich ebenfalls systemübergreifend sinnvoll integrieren. Hier finden sich bspw. Prozesse wie die »Personalschulung«, der »Kontinuierliche Verbesserungsprozess« oder der »Kommunikationsprozess« wider.

Für die Führungs-, Kern- und Unterstützungsprozesse wurden Prozessflussdiagramme in »Swim-Lane-Darstellung« und zugehörige Prozessschrittbeschreibungen entwickelt, die den strukturellen Ablauf der einzelnen Prozesse visualisieren und detailliert beschreiben. Jeder Prozessschritt wird dabei von einer Rolle aus dem zuvor definierten Rollenmodell durchgeführt. Neben den Verantwortlichkeiten wurden in den Prozessschrittbeschreibungen Informationen zu der Häufigkeit der Durchführung jedes Prozessschritts sowie zu beteiligten und zu informierenden Rollen aufgeführt. Darüber hinaus wurden Unterstützungsdokumente in Form von Excel-, Word- und PowerPoint-Vorlagen erarbeitet, die den jeweiligen Prozessen zwecks Dokumentation dienen und auf die ebenfalls an geeigneter Stelle in den Prozessschrittbeschreibungen verwiesen wird.

Für die Dokumentation der Prozesse und die Dokumentenlenkung im Rahmen des integrierten Managementsystems wurde die Software Mediawiki genutzt. Diese hat sich als besonders geeignet erwiesen, da sie lizenzkostenfrei, benutzerfreundlich und intuitiv zu erlernen ist.

Unternehmen werden durch die Ergebnisse des »EMSI-Projekts« befähigt, eigenständig und mit überschaubarem Aufwand die relevanten Strukturen eines Energiemanagementsystems in ein vorhandenes Qualitätsmanagementsystem zu integrieren oder als Stand-Alone-Lösung in Wiki-basierter Form in ihrem Unternehmen zu implementieren.

Das IGF-Vorhaben 17052N der Forschungsvereinigung Forschungsgemeinschaft Qualität e.V. (FQS), August-Schanz-Straße 21A, 60433 Frankfurt am Main wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.