Probleme und Herausforderungen des Digitalen Zwillings

Die innerhalb der Soft- und Hardwarekomponenten anfallenden Daten werden bisher fast ausschließlich zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe der einzelnen Komponente genutzt. Prozessdesign, Fertigung und Qualitätssicherung arbeiten heute mit verschiedenen und unvollständigen digitalen Zwillingen. Eine integrierte und systemübergreifende Lösung zur Verknüpfung von Planung, Produktion und Qualität im Sinne des Industrial Internet of Things (IIoT) und ein darauf aufbauender tiefgreifender Digitaler Zwilling, der vollständig und datendurchgängig ist, existiert bisher nicht.

Ein Rahmenwerk für den Digitalen Zwilling in der Zerspanung

dPart beschreibt ein domänenspezifisches Rahmenwerk für den digitalen Zwilling in der metallverarbeitenden Industrie und ihren Technologien. Es umfasst modernste Big-Data-Ansätze (z.B. Lambda-Architektur) und berücksichtigt aktuelle nationale und internationale Aktivitäten im Bereich der Standardisierung (z.B. ISO23247 - A digital twin framework for manufacturing). Sowohl das Rahmenwerk als auch die Implementierung sind in vier Hauptentwicklungsbereiche unterteilt:

• Prozessplanung: Innerhalb von dPart wird eine neue Generation von CAM-Systemen für die Prozessplanung in der metallverarbeitenden Industrie entwickelt. Das System ist in der Lage, umfangreiche Technologiesimulationen durchzuführen sowie zusätzliche Rechenleistung in der Edge oder in der Cloud und geeignete Microservices wie KI-Funktionalitäten einzubinden. Die im CAM-System generierten Daten werden in den durchgängigen Digitalen Zwilling der Wertschöpfungskette eingespeist und in der Cloud in passenden Datenbanklösungen gespeichert.
• Fertigung: Im Bereich der Fertigung konzentriert sich dPart auf die
  Implementierung von Lösungen zur Datenerfassung, Datenverarbeitung und Datenspeicherung. Für die wichtigsten Steuerungstypen werden steuerungsspezifische Erfassungslösungen entwickelt. Die erfassten Maschinen- und Sensordaten werden an geeignete Datenverarbeitungs-Tools auf Edge- oder Cloud-Ebene übergeben. Die Daten werden über domänenspezifische Technologie-Microservices in Prozess- und Qualitätsdaten übersetzt und im durchgängigen Digitalen Zwilling der Wertschöpfungskette gespeichert.
• Qualitätssicherung: Der Digitale Zwilling der Planungs- und Fertigungsphase wird nach Abschluss der Produktion gemeinsam mit dem physischen Produkt an die Qualitätssicherung übergeben. Die in der Qualitätssicherung ermittelten Daten werden mit den in der Planung und Fertigung ermittelten Prozess- und Qualitätsdaten abgeglichen. KI-basierte Langzeitdatenanalysen ermöglichen die Identifikation von Korrelationen und Kausalitäten für mögliche Produktivitäts- und Qualitätsprobleme.
• IIoT, Datenwirtschaft und Datensouveränität: Hauptinnovationstreiber für das Digital Twinning entlang der Wertschöpfungskette von Planung, Produktion und Qualitätssicherung ist ihre Vernetzung im Sinne des IIoT. Der vierte Entwicklungsbereich umfasst dementsprechend Aspekte wie Hardware-Infrastruktur, Software-Orchestrierung und Datensemantik. Er adressiert die Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen auf Basis des Digitalen Zwillings sowie den sicheren Umgang mit Daten im Sinne der Datenhoheit.

Nutzen des Rahmenwerks für die Industrie

dPart ermöglicht die Erstellung eines vollständigen und datenkonsistenten Digitalen Zwillings entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Planung über die Produktion bis hin zur Qualitätssicherung. dPart reduziert damit die Schnittstellenproblematik der metallverarbeitenden Industrie innerhalb der Fertigung, erhöht die digitale Resilienz der Branche und bereitet sie auf das Industrial Internet of Things und eine zukünftige Datenökonomie vor.

Das Fraunhofer IPT und das MTI der RWTH Aachen entwickeln dPart gemeinsam mit kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Großunternehmen aus der metallverarbeitenden Industrie ständig weiter. Unterstützt werden die Entwicklungen durch Anbieter und Zulieferer von Soft- und Hardwarekomponenten für Fertigungssysteme in der Metallbearbeitung. Die digitale Infrastruktur wird von Providern und Anbietern digitaler Infrastruktur wie Edge- oder Cloud-Plattform-Anbietern abgedeckt. Das Fraunhofer IPT lädt interessierte Industrieunternehmen und Forschungspartnern herzlich zur Kontaktaufnahme ein.